Ein paar Wochen vor der Friedenspreisverleihung besuchten Heinrich Riethmüller und ich den Preisträger Sebastião Salgado und seine Frau Lélia in ihrer Agentur Amazonas Images in Paris. Wir wurden von den beiden mit einer Herzlichkeit und Wärme empfangen, die mich verblüffte. Einer der bekanntesten Fotografen der Welt, dessen Bilder in hochklassigen Büchern veröffentlicht werden, der mit wichtigen Politiker:innen verkehrt, um ihnen seine Vision von einer besseren Welt vorzustellen, dessen beeindruckendes Leben von seinem Sohn Juliano und Wim Wenders in dem Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" festgehalten wird, war neugierig auf das, was wir ihm über den Friedenspreis erzählten, und begab sich dann einfach so, ohne großes Spektakel, in meine Hände.
Jetzt schreibe ich einen Nachruf auf ihn. Um nicht an der Größe dieses Künstlers zu scheitern, betrachte ich nicht zuerst seine Fotografien, sondern ein Bild, das ihn selbst, diesen warmen und nahbaren Menschen, zeigt. Es ist das offizielle Friedenspreisfoto (Anm. der Red.: siehe das Foto oben), und es ist – wie sollte es auch anders sein – eine Schwarzweißfotografie, auf der etwas abgewandt Sebastião Salgado direkt in die Kamera schaut. Die erste Auffälligkeit an ihm ist seine Glatze. Die Haare waren ihm aber nicht ausgefallen, er hatte sie sich abrasiert – das erste Mal 1994, vor über dreißig Jahren, weil auf seinen Reisen einfach zu viele Parasiten in ihnen nisteten.
Und dann wandert mein Blick zu seinen Augen …
Ja, es sind die Augen, die unter leicht buschigen, mittlerweile weiß gewordenen Brauen mehr als achtzig Jahre die Schönheit, aber vor allem auch die Tragik des Lebens gesehen haben. Dadurch ist ein Schatz an Erinnerungen entstanden, der es Sebastião Salgado ermöglichte, auf seinen Fotografien sowohl die Realität sichtbar zu machen als auch eine Geschichte zu erzählen.